Wir befinden uns in einem Besprechungsraum mit einer Art von interdisziplinärer Gruppe, die es in den meisten Organisationen ab einer gewissen Größe gibt: einem Leitungsteam. Die Teilnehmer dieser Gruppe sind die Direktorin für Sales, der Produktionsleiter, die Finanzchefin und Vertreter der anderen Unternehmensfunktionen. Organisationsentwicklung ist in dieser Runde der Alltag.
Eine Kollegin bringt ein Thema ein: Sie beobachtet, dass immer mehr operative Themen ins Leitungsteam eskaliert werden. Das nimmt ihnen die Zeit für die Diskussionen, die für ihre Ebene eigentlich relevant wären. Andere stimmen ein und sehen das ähnlich. Gemeinsam erforscht die Gruppe das Problem und bildet Annahmen dazu. Eine sehr lebhafte Diskussion. Die Gruppe findet gemeinsam Ideen und vereinbart das eine oder andere auszuprobieren und beim nächsten Treffen zu evaluieren.
Was die Kollegin eingebracht hat, ist kein Sachthema, sondern adressiert, wie das Leitungsteam zusammenarbeitet und wie im Unternehmen geführt wird. Das ist prinzipiell ein heißes Thema, denn es rührt ein wenig am Statusempfinden der Mitglieder. So etwas zur Sprache zu bringen, braucht Mut und eine sichere Atmosphäre im Team.
Was interdisziplinäre Teams herausfordert
Wenn du Teil eines interdisziplinären Teams bist, wirst du merken: hier kommen viele Unterschiede und Widersprüche zusammen. Das ist ein Vorteil, weil es den Schatz an Perspektiven, Erfahrungen und Ansätzen in eurem Team vergrößert. Gleichzeitig ist das eine große Herausforderung: Wie könnt ihr einander trotz der Unterschiede verstehen? Wie könnt ihr eine Arbeitsweise entwickeln, die euch erfolgreich sein lässt? Wie könnt ihr das Vertrauen zueinander finden, das ihr braucht, um gemeinsam neue Pfade zu beschreiten?
Der Weg dahin führt übers gemeinsame Reflektieren im Team. Oft beschränkt sich das Reflektieren jedoch nur auf Sachthemen. Reflexion, die einem Team und den einzelnen Mitgliedern hilft zu wachsen, wechselt den Fokus der Reflexion. Lernende Teams fokussieren mal auf Inhaltliches, dann auf ihre Wirkung und drittens auf ihre Zusammenarbeit.
Reflektieren mit Fokuswechsel
Fokuswechsel beim Reflektieren in interdisziplinären Teams ist einfach.
- Ihr wählt einen Fokus, der für eure aktuelle Situation am besten passt:
Fokus auf den Inhalt: Alles was das Thema betrifft, an dem ihr arbeitet.
Fokus auf Erreichtes: Hier geht’s darum zu evaluieren, was ihr bewirkt.
Fokus auf Zusammenarbeit: Ihr schaut darauf, wie ihr als Team miteinander funktioniert, sowie mit dem Umfeld eures Teams – und wie es euch persönlich geht. - Einigt euch auf eine Frage, die für euch besonders interessant erscheint. Unten findet ihr Beispielfragen für jeden der drei Fokusse.
- Kommt ins Gespräch darüber, was euch zu der Frage einfällt und tauscht eure Sichtweisen aus.
- Was leitet ihr für eure weitere Arbeit ab?
Interdisziplinäre Teams sind komplex. Das ist gut so, denn sie haben es mit komplexen Herausforderungen zu tun. Darum müssen sie mehr als andere Teams über sich als Team und über die Probleme reflektieren, die sie meistern sollen. Diese Reflexion gelingt besser mit ein wenig Struktur. Nicht zu viel, denn das Team braucht ausreichend Freiraum beim Nachdenken. Die Methode des Reflektierens mit Fokuswechsel balanciert zwischen ausreichend Struktur und Offenheit.
Eine Auswahl an Fragen für jeden Fokus
Fokus auf Inhalte:
- Sind die Themen, an denen wir arbeiten, (noch) die Richtigen?
- Was wollen wir mit unserem Thema bewirken?
- Was sind unsere wichtigsten Hypothesen, auf denen wir aufbauen?
- Was haben wir beobachtet, das für oder gegen eine Hypothese spricht?
Fokus auf Wirkung:
- Was haben wir ausgelöst?
- Was haben wir bereits gelernt und wie fließt das in unsere Arbeit ein?
- Worauf können wir stolz sein? Was hat uns überrascht/geschreckt/gefreut?
- Was erleben unsere Kollegen, die nicht zur Gruppe gehören? Welches Feedback haben wir bekommen?
Fokus auf Zusammenarbeit:
- Wie funktionieren Zusammenarbeit und Kommunikation in unserem Team?
- Was wünsche ich mir von dir als Kollege in meinem Team?
- Was habe ich von dir/euch bereits gelernt? Wobei hat mir das geholfen?
- Wo sind unsere blinden Flecken? Wo schauen wir lieber nicht hin?
- Auf was freue ich mich in unserer Zusammenarbeit am meisten?
Für wen ist reflektieren mit Fokuswechsel nützlich?
Im Prinzip für jedes Team, das vor besonderen Herausforderungen steht. Im Besonderen haben wir die Methode allerdings konzipiert für alle Arten von interdisziplinären Teams: Leitungsteams, divers zusammengesetzt Projektgruppen in Veränderungsprojekten oder auch interdisziplinäre Arbeitsgruppen, die komplexe Aufgaben lösen wollen. Vor allem aber für Teams, die einen ehrlichen Antrieb haben, sich weiterzuentwickeln und als Team sowie als Menschen an ihren Herausforderungen zu wachsen.
3 Tipps
- Arbeitet beim Reflektieren mit Fokuswechsel mit Hypothesen. Dazu haben wir einen Artikel geschrieben.
- Wenn ihr merkt, dass ihr beispielsweise sehr häufig auf Inhaltliches fokussiert, wählt auch mal Fragen aus einem anderen Fokus. Immerhin heißt die Methode Fokuswechsel.
- Wählt die Themen, die euch am meisten bewegen. Vor allem dann, wenn sie auch ein wenig Mut erfordern.
Der große Nutzen
Aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu reflektieren, ist ein wesentlicher Motor für die Entwicklung gelungener Zusammenarbeit. Je selbstverständlicher Reflexionsschleifen in die Teamarbeit integriert werden, desto leichter gelingt es auch, den Mehrwert daraus für kreative Zusammenarbeit zu gewinnen. So kann das Team das Potential, das in interdisziplinärer Zusammenarbeit steckt, voll ausschöpfen. Die ganze Organisation profitiert von den neuartigen Ansätzen, die das Team schafft.
Wenn du noch weitere Fragen für die einzelnen Fokusse brauchst, wirf einen Blick in den Artikel über unsere aktuellen Lieblingsfragen. Oder schreib uns einfach ein paar Zeilen.